KI bietet die Möglichkeit, aus den enormen Datenmengen, welche in Geschäftsprozessen eines Unternehmens gesammelt werden, neue Erkenntnisse für Prognosen und Entscheidungen zu generieren und diese in Mehrwerte zu verwandeln. Unternehmen, welche sich intensiver mit dem Einsatz von KI befassen, werden jedoch schon früh auch mit der Wirtschaftlichkeit des Einsatzes konfrontiert. Denn wie bei jeder anderen betriebswirtschaftlichen Entscheidung stellt sich auch hier die Frage nach einer sinnvollen Kosten-Nutzen-Abwägung sowie einem sinnvollen Ressourceneinsatz. Allerdings werden klassische Kosten-Nutzen-Abwägungen insbesondere KI-Pilotprojekten nur selten gerecht, geht es hier doch auch darum, Innovationen zu ermöglichen, zukunftsfähige Kompetenzen aufzubauen und übertragbare Erfahrungen zu sammeln. Eben dieses Spannungsverhältnis soll nachfolgend genauer betrachtet und diskutiert werden.
KI-Projekte können sehr vielfältig sein und von der automatisierten Rechnungseingangsprüfung und Anwendungsfällen des Predictive Maintenance, basierend auf maschinellem Lernen, bis hin zum autonomen ÖPNV reichen. Genauso unterschiedlich wie KI-Projekte sind, sind es auch die Aufwände, die mit den Projekten einhergehen, z. B. in Bezug auf die erforderlichen zeitlichen, personellen und finanziellen Ressourcen, die Anforderungen an die benötigte (IT-)Infrastruktur, die Lizenzgebühren für eingesetzte Tools und Lösungen sowie für das Transformationsmanagement und die Qualifizierung der Mitarbeitenden und Führungskräfte. Eine allgemeine Blaupause zur Abschätzung des wirtschaftlichen Aufwands oder eine allgemeingültige Vorgehensweise zur Berechnung eines Business Case für KI-Projekte gibt es daher nicht.
Je nach Reifegrad der geplanten Lösung ist zudem unklar, ob das Projekt sein angestrebtes Ziel (vollumfänglich) erreichen wird. Pilotprojekte sind dazu da, die Machbarkeit von Lösungen zu untersuchen, sie zu erproben und ihren potenziellen Mehrwert unter möglichst realen Bedingungen in Erfahrung zu bringen – ein Scheitern ist jederzeit möglich! Jedes KI-Pilotprojekt hat damit stets den Charakter von „Trial & Error“, Versuch und Irrtum, wobei in jeder Phase die Erkenntnis aufkommen kann, dass die verfügbare Datenbasis für die Anwendung von KI-Algorithmen ungeeignet ist oder diese schlichtweg keine Muster aufweist, welche zur gewünschten Erkenntnis führen. Und selbst wenn der Pilotbetrieb funktioniert: die Anforderungen an einen operativen Betrieb der KI-gestützten Lösung können nochmals gänzlich anders sein als die für den Pilotbetrieb. Diese Umstände erschweren eine eindeutige Kosten-Nutzen-Betrachtung im Vorfeld eines KI-Projekts zusätzlich. Doch wie kann dann im Vorfeld ermittelt werden, ob sich die Investition in ein spezifisches KI-Projekt lohnt? Hierfür ist es sinnvoll, die Kostentreiber sowie mögliche Profitabilitätshebel als Ausgangspunkt zu nehmen und diejenigen Bereiche zu identifizieren, in denen der konkrete Anwendungsfall einen besonderen Mehrwert stiften kann. Während die Identifikation und Auswahl geeigneter Anwendungsfälle im Modul „Use Cases“ genauer behandelt wird, sollen nachfolgend generische Kostentreiber und Profitabilitätshebel des KI-Einsatzes vorgestellt und anhand von Praxisbeispielen vermittelt werden.
Zu den Kostentreibern können zählen (vgl. Fournier 2020):
Während gerade die Aktivitäten der Datenbereinigung und -vorbereitung einen oftmals unterschätzten Kostenfaktor von KI-Projekten darstellen, kann die allgemeine Kostenstruktur stark unterschiedlich ausfallen. Eine entscheidende Rolle spielt dabei auch, ob und in welchem Ausmaß die benötigte Infrastruktur haus-intern betrieben oder durch externe Anbieter bedarfsgerecht und flexibel bereitgestellt wird. Grundsätzlich lässt sich jedoch sagen, dass die Kosten für den Einsatz entsprechend qualifizierten Personals den kritischen Faktor solcher Projekte darstellen.
So vielschichtig wie die Kostenseite ist, sind auch die Möglichkeiten, wie mittels KI ein Mehrwert geschaffen werden kann. Dabei können drei wesentliche Arten unterschieden werden, wie KI einen Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten kann:
Zu den Unternehmensbereichen, in welchen KI-Anwendungen bereits vielfach eingesetzt werden, zählen Vertrieb, Marketing und Kundenservice. Klarer Mehrwert sind die gezielte Steigerung von Kundenzufriedenheit und Umsatz durch die Antizipation des Kundenverhaltens. Um die Bedürfnisse der Kunden zu verstehen, werden soziographische Merkmale, Transaktionen und Interaktionen zusammengeführt und können so für eine zielführende Segmentierung oder automatisierte Kontaktaufnahme genutzt werden. Durch Mustererkennung im Kundenverhalten und Segmentierung von Zielgruppen können Marketingaktivitäten (beispielsweise in Social Media) gezielt eingesetzt und eine personalisierte Ansprache von Kund*innen mit den für sie jeweils passenden Lösungen umgesetzt werden.
Gerade in der Versorgungswirtschaft wird das Potenzial der vorliegenden Kundendaten jedoch bei Weitem noch nicht ausgeschöpft. Dabei sind auch hier spezifische Anwendungsmöglichkeiten vorhanden. Denkbar wäre so z. B. eine gezielte Angebotsunterbreitung an Privat- und Geschäftskunden mit maßgeschneiderten Tarifen oder Flatrate-Angeboten, basierend auf ihrem bisherigen Nutzerverhalten (vgl. BDEW, S. 44).
Neben einer Steigerung der Kundenzufriedenheit kann KI einen wesentlichen Beitrag zur Steigerung der Effizienz der Arbeitsabläufe leisten. Dabei kann beispielsweise auf die Hebel Prozessoptimierung, Entscheidungsunterstützung und personalisierte Kundenansprache zurückgegriffen werden (vgl. AI Everything 2019). Besonders groß ist das Potenzial bei monotonen und zeitaufwändigen Prozessen. Hier erzielen KI-Technologien bereits eine hohe Zuverlässigkeit und können Sachbearbeiter*innen sinnvoll entlasten. Auch in der Interaktion mit Kund*innen können KI-basierte Anwendungen einen wesentlichen Anteil der Kommunikation übernehmen.
Das wohl verbreitetste Beispiel für KI-Anwendungen in kundennahen Geschäftsbereichen sind sogenannte Chatbots. Diese können Kund*innen im Erstkontakt eine schnelle Antwort auf Fragen liefern, ohne dass diese in der Warteschleife der Telefonhotline warten müssen (vgl. Zentrum Kommunikation - KI-Kochbuch, S. 26 f.). So können die Mitarbeiter*innen im Kundendienst deutlich entlastet werden und sich vorrangig auf komplexere Kundenanfragen konzentrieren.
Geschäftsmodelle beschreiben das Prinzip, nach welchem eine Organisation Werte schafft, vermittelt und erhält. Neben den bereits genannten Profitabilitätshebeln bietet der Einsatz von KI das Potenzial, das Unternehmensportfolio um KI-basierte Geschäftsmodelle zu erweitern. Von solchen ist immer dann die Rede, wenn KI einen wesentlichen Beitrag in mindestens einer der Dimensionen Nutzenversprechen, Wertschöpfungskette oder Ertragskette liefert. Der Einsatz von KI bietet grundsätzlich vielerlei Ansatzpunkte, um Geschäftsmodelle zu erneuern und so bisher ungenutzte Potenziale auszuschöpfen oder sich von Wettbewerbern zu differenzieren. So will beispielsweise die Energie Calw GmbH ihr Leistungsspektrum um einen digitalen Service erweitern, welcher anfallende Daten analysiert und nutzt, um ein bidirektionales Lademanagement von Elektrofahrzeugen zu ermöglichen.
Für Unternehmen der Versorgungswirtschaft stellen neue KI-basierte Geschäftsmodelle ein essenzielles Instrument dar, um neue Einkommensquellen zu erschließen, bestehende Geschäftsfelder langfristig gegen neue Wettbewerber zu verteidigen oder ihr Portfolio um gänzlich neue Service- oder Kundengruppen zu erweitern.
Zwar gibt es für die Einführung von KI im Unternehmen nie eine 100%ige Erfolgsgarantie und auch in Bezug auf die wirtschaftliche Durchführung birgt diese neue Herausforderungen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass jedes KI-Projekt mit einem hohen Kosten- und Zeitaufwand verbunden sein muss. So sollte die Entscheidung eben nicht lauten: Lieber abwarten und kein Risiko eingehen. KI muss weder teuer noch kompliziert oder zeitintensiv sein und kann einen wichtigen Beitrag leisten, wenn (kommunale) Versorgungsunternehmen wettbewerbsfähig bleiben und zukunftssicher werden wollen!
Sind im Unternehmen noch wenige Erfahrungswerte mit den relevanten Anwendungsfällen und Technologien vorhanden, kann es oftmals sinnvoll sein, im Rahmen der ersten Schritte und Entwicklungsaktivitäten auf das Know-How und die Angebote von externen Beratern, Forschungseinrichtungen und Prozessbegleitern zurückzugreifen. Gerade in diesem Stadium können diese beispielsweise durch Qualifizierungsangebote dabei helfen, Grundlagenwissen aufzubauen (vgl. Modul Personal). Auch die Identifikation erster Use Cases kann durch eine strukturierte Vorgehensweise erfolgversprechend unterstützt werden (vgl. Modul Use Cases).
Die Entscheidung, ob und wie KI innerhalb des Unternehmens eingesetzt wird, sollte zudem keinesfalls isoliert und lediglich im Kontext einzelner Projekte gefällt werden. Vielmehr sind hierbei auch Überlegungen hinsichtlich strategischer Aspekte, wie die Entwicklung entsprechender KI-bezogener Kompetenzen und Erfahrungen, die Stärkung der eigenen Innovationskraft sowie grundlegende Wettbewerbsvorteile (vgl. Modul Vision) und positive Effekte auf das Unternehmensimage, von Bedeutung. Auch in Bezug auf die Sicherung und Erhöhung der Qualität der Daseinsvorsorge können KI-Projekte eine entscheidende Rolle spielen und so einen Beitrag zur Sicherung der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse leisten, indem sie vorhandene Probleme und Herausforderungen adressieren.