Die Auseinandersetzung mit Methoden der Künstlichen Intelligenz geht auch mit Unsicherheiten einher. Wie wird sich mein Versorgungsunternehmen durch die technologischen Möglichkeiten verändern? Wie wird der Arbeitsplatz der Zukunft aussehen und was bedeutet das für meine Mitarbeitenden? Welche Produkte und Dienstleistungen werden durch KI möglich und wie wird sich die Leistungserbringung verändern? Für Geschäftsführer*innen, Vorstände und Betriebsleiter*innen ist es wichtig, sich frühzeitig mit diesen Fragen zu befassen, um rechtzeitig die richtigen Weichen zu stellen. Im Folgenden werden daher Methoden und Vorgehensweisen vorgestellt, um langfristige Veränderungen frühzeitig zu antizipieren, eine Vision für das eigene Versorgungsunternehmen zu entwickeln und geeignete Maßnahmen abzuleiten.
Bei der Auseinandersetzung mit innovativen Technologien und ihren potenziellen Auswirkungen geht es weniger um (vermeintlich) exakte Vorhersagen von Marktdurchbrüchen, sondern um die Betrachtung der zugrundeliegenden Prinzipien. Wir können derzeit nicht seriös abschätzen, ob und wann der fahrerlose ÖPNV in deutschen Innenstädten Realität sein wird. Wir können aber davon ausgehen, dass die Digitalisierung und Automatisierung von Arbeitsabläufen weiter zunehmen wird, dass die wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung von Daten weiter wachsen wird und dass sich die Flexibilisierung von Arbeit und die Individualisierung von Lebensstilen fortsetzen werden. PWC geht davon aus, dass zukünftig vor allem repetitive, begrenzt komplexe und planbare Tätigkeiten von autonomen Systemen übernommen und dadurch insbesondere Arbeitsplätze für geringqualifiziertes Personal wegfallen werden. Gleichzeitig ist zu erwarten, dass gerade der öffentliche Sektor durch die neuen technischen Möglichkeiten in Summe wachsen und zusätzliche Jobs erzeugen wird, vor allem in den Bereichen der kreativen Wissensarbeit und im IT-Umfeld. (Eine Studie von PWC konkret zu den erwarteten Auswirkungen von KI in Deutschland finden Sie hier.) Zudem zeigen vielfältige Untersuchungen und Projekte unserer Kolleg*innen am Fraunhofer IAO, dass zeit- und ortsunabhängiges Arbeiten, interdisziplinäre sowie projekt- und aufgabenbezogene Zusammenarbeit, agile Arbeitsformen und transformationale Führung in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen werden (und stellen sogar eine Toolbox zur Förderung des kulturellen Wandels in Unternehmen bereit). Weiterhin ist schon heute eine zunehmende Verschränkung unterschiedlicher Branchen und Sektoren zu erkennen und es ist zu erwarten, dass die Entwicklung hin zu (Service-)Ökosystemen auch in Zukunft zunehmen wird. Dies bedeutet einerseits, dass künftig auch branchenfremde Akteure im eigenen Tätigkeitsumfeld aktiv und damit zu Konkurrenten werden können. Andererseits bedeutet eine solche Entwicklung auch, dass Kooperationen mit vielfältigen Akteuren zukünftig an Bedeutung gewinnen werden. Zudem ist zu erwarten, dass Marktkonzentrationen und die Ungleichheiten von Marktteilnehmern tendenziell und grundsätzlich wachsen.
Die verantwortlichen Personen im jeweiligen Versorgungsunternehmen sind vor diesem Hintergrund gefordert zu reflektieren, was all diese Entwicklungen jeweils konkret für das Unternehmen bedeuten können und welche Auswirkungen diese auf die angebotenen Produkte und Dienstleistungen, auf die Infrastruktur und die Art der Erbringung der jeweiligen Versorgungsleistung, auf die eigene Unternehmens- und Personalstruktur, auf die erforderlichen Kompetenzen und Ressourcen, auf die Aus- und Weiterbildung, auf die Rekrutierungsstrategie, auf das Innovationsmanagement sowie auf die Führungs- und Organisationskultur haben können.
Neben dem regelmäßigen Sichten von Studien unterschiedlicher Akteure und Institutionen können folgende Methoden sowie die Auseinandersetzung mit folgenden Handlungsfeldern hilfreich sein, um die jeweils individuellen Antworten auf die aufgeworfenen Fragen zu finden:
Hat ein Unternehmen ein grundlegendes Verständnis davon entwickelt, wie sich die öffentliche Versorgung in Zukunft entwickeln könnte, gilt es im nächsten Schritt, eine Vorstellung davon zu entwickeln, welche Rolle das eigene Unternehmen in der Zukunft einnehmen könnte und möchte. Wie wollen Sie mit Ihrem Unternehmen dazu beitragen, die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse und die hohe Qualität der öffentlichen Versorgung auch in Zukunft zu bezahlbaren Preisen sicherzustellen? Welche Rolle sollen und können dabei digitale Technologien und Künstliche Intelligenz spielen? Wollen Sie selbst zum Entwickler branchenspezifischer, technologischer Lösungen avancieren? Welche Rolle sollen Innovation und die Kooperation mit anderen Akteuren – womöglich sogar aus ganz anderen Branchen und Bereichen – spielen? Welche Kompetenzen haben Sie in Ihrem Unternehmen, von denen andere Akteure profitieren können? Und welche Produkte und Dienstleistungen lassen sich daraus ableiten? Wie wollen Sie dem Fachkräftemangel, der vielerorts bereits heute besteht, in der Zukunft begegnen?
Auch hier muss jedes Unternehmen ein eigenes Zielbild herausarbeiten, das zum individuellen Profil, zur Historie, zur Kultur und Motivation des Unternehmens und seiner Mitarbeitenden passt. Für kommunale Versorgungsunternehmen ist es dabei elementar, die politischen Entscheidungsträger*innen in den Prozess einzubinden und damit die Unterstützung des gesetzten Kurses sicherzustellen.
Das Fraunhofer IAO bietet Unternehmen mit dem Digital Roadmapping Unterstützung bei der Entwicklung einer digitalen Roadmap an, zu der auch die Entwicklung einer Unternehmensvision gehört. Zudem forscht das Fraunhofer IAO im Projekt KI-ULTRA derzeit daran, wie Unternehmen Transformationsprozesse aktiv gestalten können, und identifiziert Transformationsbedarfe und Handlungsmaßnahmen.
Eine Vorstellung davon zu haben, welches Ziel ein Versorgungsunternehmen in einigen Jahren erreichen und welchen Beitrag es zur öffentlichen Versorgung leisten will, ist schon die halbe Miete. Zudem sollte sich ein Versorgungsunternehmen eine Strategie zurechtlegen, in der die Maßnahmen aufgezeigt sind, mit Hilfe derer das Ziel erreicht werden soll. Dabei sollte nicht vergessen werden, die Mitarbeitenden und Führungskräfte rechtzeitig einzubinden und die Motivation hinter der Strategie sowie den Mehrwert, der durch die Erreichung des Ziels entsteht, verständlich zu kommunizieren. Kommunale Versorgungsunternehmen und -betriebe sollten auch eine enge Kommunikation mit der Kommunalverwaltung sowie mit den politischen Entscheidungsträger*innen pflegen und den eigenen Kurs mit dem der Kommune in Einklang bringen.
Bei der Umsetzung der Strategie ist es überdies wichtig, klare Verantwortlichkeiten und verbindliche Termine festzulegen, kontinuierlich zu überprüfen, ob und wie die Maßnahmen tatsächlich umgesetzt wurden, ob sie die intendierte Wirkung entfalten und ob das angestrebte Ziel noch das richtige ist oder ob sich zwischenzeitlich die Rahmenbedingungen grundlegend verändert haben. Zudem ist es erforderlich, die Prozesse, Abläufe und Strukturen in einem Versorgungsunternehmen so anzupassen, dass sie die Zielerreichung insgesamt unterstützen. Und, ein ganz wichtiger Punkt: Wurde ein Meilenstein erreicht, sollte das gebührend gefeiert werden. Das macht Fortschritte sichtbar und motiviert!
Verantwortliche in Unternehmen fragen sich oft, ob sie erst ein KI-Projekt angehen können, wenn die Strategie dahinter glasklar definiert ist. Und sie fragen uns häufig, ob man eine Strategie in Zeiten des rapiden Wandels überhaupt noch in Stein meißeln kann. Wir vertreten die Ansicht, dass es gerade in Zeiten des ständigen Wandels besonders wichtig ist, eine grobe Zielvorstellung zu haben. Das bedeutet nicht, dass ein vollständig ausdefinierter Schritt-für-Schritt-Plan für die kommenden 15 Jahre vorliegen sollte – der Versuch, ein solches Papier zu erstellen, scheint aus der Zeit gefallen. Aber eine grobe Richtschnur braucht es unserer Meinung nach sehr wohl. Und um diese herauszubilden, kann es hilfreich sein, zunächst im kleinen Rahmen Neues zu erproben und erste Erfahrungen zu sammeln.
Scenario Management International zeigt in einem Zweiseiter, wie Unternehmen zukunftsrobuste Unternehmens- und Geschäftsstrategien entwickeln können und stellt gelungene Beispiele dar. In einem weiteren Kurzpapier zeigt ScMI, wie Unternehmen mit Hilfe der Szenario-Technik neue Produkte und Geschäftsmodelle systematisch entwickeln können.
Nachdem man sich intensiv mit den eigenen Zielen auseinandergesetzt hat, sollte man den Blick auch wieder weiten und beobachten, wie sich das Marktumfeld entwickelt – die Mitarbeitenden und Kunden, die Gesellschaft und die politisch-rechtlichen Rahmenbedingungen, die Anbieter komplementärer Leistungen sowie die Wettbewerber. Welche innovativen Technologien und Geschäftsmodelle zeichnen sich in der eigenen Branche, aber auch weit darüber hinaus ab? Was sind die zugrundeliegenden Prinzipien und was kann die Versorgungswirtschaft daraus ableiten? Wie verändern sich die eigenen Kunden und welche Rolle könnte das Versorgungsunternehmen in der Kommune übernehmen? Mit welchen Herausforderungen sind andere Versorgungsunternehmen sowie Mittelständler aus gänzlich anderen Branchen konfrontiert? Im fachlichen Austausch (z. B. über Konferenzen, Netzwerkformate, Fachzeitschriften, Innovationspartnerschaften, Studien, Forschungsprojekte etc.) liegt eine große Kraft für Optimierung und Innovation. Zudem kann es helfen, sich regelmäßig von innovativen Geschäftsmodellen, auch aus anderen Branchen, inspirieren zu lassen. Der Business Model Navigator der Universität St. Gallen gibt einen allgemeinen Überblick über innovative (digitale) Geschäftsmodelle. Eine spezialisierte Fassung legt den Fokus auf innovative Geschäftsmodelle in der Kreislaufwirtschaft. (Beide Angebote sind bislang nur auf Englisch verfügbar.)
Sie fragen sich nun womöglich: „Alles schön und gut, aber wer soll all diese Aufgaben zusätzlich zum Alltagsgeschäft stemmen?“ Schon heute leiden Versorgungsunternehmen vielerorts an Personalmangel und an knappen Haushaltskassen. In kommunalen Unternehmen braucht es überdies oftmals ein intensives Werben bei dem/r Bürgermeister*in oder den Stadträten, um finanzielle Mittel für größer angelegte Projekte und Strategieprozesse im Versorgungsbetrieb freizumachen. Dennoch lohnt es sich, diesen zusätzlichen Aufwand in Kauf zu nehmen und entsprechende Verantwortlichkeiten und Strukturen zu schaffen, die den Transformationsprozess in Ihrem Unternehmen ideal unterstützen. Sollte es Ihnen an geeignetem Personal fehlen, kann das Hinzuziehen externer Unterstützung ein Lösungsweg sein. Fehlt es Ihnen an Mitteln für ein Innovationsvorhaben, können Sie prüfen, ob es derzeit ein passendes Forschungs- und Förderprogramm gibt, das Sie in Anspruch nehmen können. Unterstützungsmöglichkeiten gibt es durchaus. Den Weg der Transformation müssen Sie aber dennoch selbst beschreiten.